Der Einsatz eines künstlichen Kniegelenks hat sich zur Standardtherapie bei schwerwiegenden Gelenkveränderungen entwickelt. Jedoch gehen die gängigen Standardmodelle nicht auf die Individualität des Patienten ein. Problematisch ist, dass das Knie der vorgefertigten Prothese angepasst werden muss. Dies birgt Risiken und Nachteile. Doch es gibt Alternativen. Dr. Markus Bachmeier, niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg erklärt den Gelenkersatz mit ConforMIS-Prothesen, die angepasst an die eigene Anatomie individuell für jeden Patienten hergestellt werden.
Herr Dr. Bachmeier, warum maßgefertigte Knie-Implantate? Reichen die vielen Prothesenmodelle, die es heute bereits als Standardmodelle gibt, für eine gute Versorgung nicht aus?
Das Kniegelenk ist anatomisch und biomechanisch unvergleichlich viel komplizierter als etwa ein Hüftgelenk. Es ist ja kein einfaches Kugel- oder Scharniergelenk. Vielmehr ermöglicht es durch seine spezielle Konstruktion neben Beugen und Strecken auch eine mehrdimensionale Roll-/Gleitbewegung. Entsprechend anspruchsvoll ist es, die Funktion korrekt nachzubilden. Hinzu kommt, dass die Verhältnisse in jedem Knie unterschiedlich sind. Mit herkömmlichen Implantaten gelingt eine Anpassung an die vorgegebene Gelenkstruktur daher mal mehr, mal eher weniger. Das zeigt sich darin, dass im Vergleich zu Hüftprothesen die Erfolgsrate nach Knieprothesen niedriger ist. Internationale Studien sprechen von etwa 15 bis 20 Prozent der Patienten, die mit einem künstlichen Knie nicht restlos zufrieden sind.
Beim Einsetzen einer Standardprothese, wie erfolgt da die Auswahl des jeweiligen Modells?
Aus den zahlreichen zur Verfügung stehenden Prothesen sucht der Operateur das Modell aus, das nach seiner Erfahrung am besten in Bezug auf Form und Größe geeignet ist. Häufig müssen dabei aber Kompromisse eingegangen werden, weil das ausgewählte Modell nicht in allen Dimensionen der vorliegenden Anatomie entspricht. Besonders der Krümmungsradius der Oberschenkel-Gelenkrolle ist individuell sehr unterschiedlich und da findet man oftmals nicht die ideale Passform. Das bedeutet aber, zum Einsetzen der Prothese muss dann während der Operation eben entsprechend Knochenmaterial abgetragen werden solange bis die Prothese richtig sitzt. Dies hat zur Folge, dass der Patient sich an ein neues „Kniegefühl“ gewöhnen muss, was mitunter nicht leicht fällt und zu echten Problemen führen kann. Schwerwiegender ist jedoch, dass die geopferte Knochensubstanz spätestens dann fehlt, wenn eine Zweitprothese erforderlich werden sollte.
Mit maßgefertigten Prothesen können diese Probleme jetzt gelöst werden?
Mit dem ConforMIS-Implantat, das wir verwenden, erhält jeder Patient eine nach den individuellen Gegebenheiten geplante und maßgefertigte Prothese. Das heißt, das Implantat wird exakt an die zugrunde liegende Erkrankung und die jeweilige Anatomie angepasst, sodass die ursprünglichen Verhältnisse im Gelenkbereich erhalten bleiben und der Knochenverlust auf ein Minimum beschränkt ist. Die Patienten profitieren von einer größeren Bewegungsfreiheit, langer Haltbarkeit und akzeptieren den Gelenkersatz von Anfang an als körpereigen. Ein Fremdgefühl kann gar nicht erst auftreten.
Wie laufen Planung und Einbau einer maßgeschneiderten Knieprothese ab?
Ist ein Teilersatz, eine Schlittenprothese oder ein kompletter Oberflächenersatz für den Patienten notwendig, wird eine spezielle CT-Untersuchung durchgeführt. Auf dieser Basis wird dann ein exaktes 3D-Modelldes Knies errechnet, das ein genaues Abbild des Gelenks mit der verschlissenen Gelenkoberfläche sowie den Beinachsen liefert. Anhand dieses Modells kann das individuelle Design der Prothese bestimmt werden. Ist die Entscheidung getroffen, wird die Prothese anhand der errechneten Parameter individuell angefertigt. Dank der optimalen Größe und Passform kann die Prothese dann exakt und achsengerecht an der entsprechenden Stelle positioniert werden, das heißt das neue Gelenk sitzt perfekt. Dadurch dass die entscheidende Auflage und damit die Belastungslinien wie beim natürlichen Gelenk über den äußeren, harten Rand des Knochen erfolgen, wird die wesentlich weichere Knochensubstanz, die Spongiosa, geschützt. Dies könnte sich vor allem langfristig positiv auf das Lockerungsverhalten und damit auf die Standzeit der Prothese auswirken. Langzeitergebnisse dazu liegen aber natürlich noch nicht vor. Beim Einsetzen kommt noch ein weiterer Vorteil zum Tragen. Alle für den Eingriff erforderlichen Schnittführungen und Schablonen sind nämlich ebenfalls maßgefertigt. Mit diesen individuellen Schablonen wird die Prothese – wie im Computermodell errechnet – exakt plat- ziert. Dadurch beansprucht die Implan- tation deutlich weniger Zeit als bei einer herkömmlichen Knieprothese, was die operative Belastung des Patienten und die Infektionsrisiken deutlich reduziert. Außerdem reicht ein merklich kleinerer Schnitt zur Freilegung aus, sodass es sich um einen echten minimalinvasi- ven Eingriff handelt und die Patienten schneller wieder auf den Beinen sind.
Eignet sich die ConforMIS-Prothese für alle Kniepatienten?
Eine maßgefertigte Knieprothese ist sicherlich nicht für jeden Patienten erforderlich. Profitieren wer- den vor allem jüngere Patienten, deren Arthrose noch keine größeren Knochen- defekte zeigt, deren Bandführung stabil ist, und die relativ hohe Ansprüche an die Funktionalität des Knies haben. Das heißt, wer sich trotz Prothese uneinge- schränkt bewegen und sportlich aktiv bleiben will, der kann mit einer Prothese nach Maß sicherlich deutlich mehr Lebensqualität zurückgewinnen.
Herr Dr. Bachmeier, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!