Im Sport oder im Alltag ist der Schulterschmerz ein häufiges Erkrankungsbild, welches oft erst verspätet behandelt wird, da die Ursachen lange unerkannt bleiben. Folgen sind häufig chronische Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Herr Dr. med. Markus Bachmeier, niedergelassener Orthopäde, Unfallchirurg und Sportmediziner aus München, erklärt die unterschiedlichen Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Herr Dr. Bachmeier, das Schultergelenk gehört zu Ihren Spezialgebieten. Was ist daran so anders im Vergleich zu anderen Gelenken und was macht es so besonders?
Die Schulter ist in ihrer Beweglichkeit und Funktion unvergleichlich. Die Hüfte ist z. B. ein Kugelgelenk, das fest durch die knöcherne Pfannenform eingefasst ist. Die Schulter hingegen ist kaum durch die knöcherne Anatomie gehalten, hier kommt den Muskel, Bändern, Sehnen und dem Knorpel eine höchst wichtige Aufgabe zu. Nur so ist eine so einmalige Beweglichkeit und unglaubliche Kraftentwicklung möglich. Das macht es aber auch bei Verletzungen oder Erkrankungen der Schulter so komplex, die wirkliche Ursache zu erkennen und eine effiziente und gezielte Therapie einzuleiten. Deshalb ist es wichtig, bei Schulterbeschwerden frühzeitig einen Spezialisten aufzusuchen.
Was sollte ein Patient bei Schulterbeschwerden als Erstes zu tun?
Er sollte es nicht bagatellisieren, sondern frühzeitig ärztlichen Rat einholen. Mir z.B. ist beim ersten Kontakt sehr wichtig, die Entstehung und die möglichen Ursachen zu erfragen. Auch die Ausprägung der Beschwerden ist ein wichtiger Baustein. Manuelle Untersuchungen und eine Reihe von Funktionstests liefern mir wichtige Informationen. Anschließend können apparative Untersuchungen wie Ultraschall, Röntgen oder Kernspinntomographie in Frage kommen. Nur mittels einer gründlichen Ursachenforschung lässt sich die Art der Erkrankung zweifelsfrei diagnostizieren, welches wiederrum Grundlage für die zu wählende Therapie ist. Nur so können chronische Schmerzen und Langzeitschäden vermieden werden.
Herr Dr. Bachmeier, welche Therapiemöglichkeiten halten Sie für erfolgversprechend?
Ein Behandlungserfolg kann sich nur einstellen, wenn die Therapie auf den Patienten zugeschnitten ist. Von leicht nach schwer zu behandeln bedeutet, zunächst die am wenigsten belastende Methode zu wählen und bei Bedarf alle Möglichkeiten der modernen Medizin auszuschöpfen. Wir haben die Möglichkeit zwischen einer biologischen oder pharmazeutischen Therapie zu wählen. Als biologische Methode gibt es die Autologe-Conditionierte-Plasma(ACP)–Therapie. Sie kommt aus dem professionellen Leistungssport. Hier wird durch eine Blutentnahme beim Patienten mittels eigenen Bluts simultan das ACP in einem sterilen Einmalsystem hergestellt. Die daraus gewonnene bis zu 4-fache Konzentration von Wachstumsfaktoren und das entzündungshemmende aktivierte Plasma führen zur Ausheilung und Regeneration des erkrankten Gewebes.
Pharmazeutisch besteht die Möglichkeit mittels speziell für Sehnen entwickelter Hyaluronsäure das gereizte Gewebe erfolgreich zu behandeln. Für Sportler ist wichtig zu wissen, dass beide Methoden von der Dopingbehörde (NADA) als unbedenklich freigegeben sind. Daneben ist die Stoßwellentherapie eine sehr bewährte und effektive Art zur Behandlung von Kalkschultern. Diese Technik kommt aus der Nierensteinzertrümmerung und ist für orthopädische Anwendungen erfolgreich angepasst worden. Nicht zu vernachlässigen ist, dass neben Phonophorese, physikalischer Therapie auch die Beratung zum individuellen Schultertraining wichtig für eine komplexe Behandlungsstrategie ist.
Was, wenn eine Operation nötig wird? Welche Möglichkeiten gibt es und welche sind erfolgreich?
In bestimmten Fällen kann jedoch eine operative Lösung bei Schulterverletzungen nötig werden. So ist z. B. bei Sehnenschädigungen und Schäden der Rotatorenmanschette die Wiederherstellung der Schulterfunktion das wichtigste Ziel. Nur so kann die drohende Schulterarthrose mit Kraft- und Funktionsverlust verhindert werden. Das trügerische ist, das nach den anfänglichen Schmerzen bei einer Schädigung häufig die Beschwerden zunächst abklingen und die Patienten sich in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Hier ist es verständlicherweise schwer, den Patienten von der Notwendigkeit einer Operation zu überzeugen. Doch später entwickeln sich oftmals chronische Bewegungseinschränkungen und starke Dauerschmerzen. Dann ist aber häufig eine Wiederherstellung der Sehnen nicht mehr möglich. Als besonders schonendes Verfahren verwende ich die arthroskopisch assistierte Mini-Open-Technik. Dabei werden die ersten Schritte der Operation arthroskopisch durchgeführt, weshalb dann die Sehnennaht lediglich über einen kleinen Hautschnitt erfolgen kann. Dadurch wird die gewebsschonende Arthroskopie mit der besonders sicheren Platzierung der Sehnennaht vereint, was wiederum eine schnellere Rehabilitation ermöglicht. Neben der minimalinvasiven arthroskopischen Entfernung des chronisch entzündeten Schleimbeutels und der knöchernen Schulterdacherweiterung gibt es viele weitere im Einzelnen zu besprechende Vorgehensweisen, welche ihren Grund in der Komplexität der Schultererkrankungen haben. Aber auch das individuell geplante Nachbehandlungsschema ist ein nicht zu vernachlässigender Baustein auf dem Weg zum Erfolg. Hier sind alle Beteiligten gefordert, der Patient, der Physiotherapeut und der Arzt.
Sehr geehrter Herr Dr. Bachmeier, vielen Dank für das Gespräch.